Am Freitag, dem 23. Mai 2025, fand im Rahmen der Fairnesswochen der „Grätzlspaziergang Roßau“ statt. Dabei begaben sich zahlreiche Teilnehmer:innen gemeinsam auf Entdeckungstour durch das Grätzl, um ihre Sicht auf die vielfältigen Viertel des Bezirks zu teilen und zu reflektieren.
Der Spaziergang stand unter dem Leitthema der „15-Minuten-Stadt“ – einem städtebaulichen Konzept, das auf kurze Wege und eine gute Erreichbarkeit wichtiger Infrastrukturen im Alltag abzielt. Ziel der Veranstaltung war es, Orte und Einrichtungen im Grätzl zu erkunden, die wesentlich zur Lebensqualität und sozialen Teilhabe der Bewohner:innen beitragen. Besonders im Fokus standen dabei Infrastrukturen, die einen gerechten Zugang zur Stadt ermöglichen – sei es im Bereich Mobilität, Bildung, Gesundheit oder öffentliche Räume.
Die Teilnehmer:innen diskutierten unterwegs über zentrale Fragen einer nachhaltigen und fairen Stadtentwicklung und tauschten persönliche Erfahrungen sowie Perspektiven zum Leben im Alsergrund aus. So wurde der Spaziergang nicht nur zu einer Erkundungstour, sondern auch zu einem Ort des Austauschs und der gemeinsamen Reflexion über die Zukunft urbaner Räume. Begonnen hat der Spaziergang an der U-Bahnstation Roßauer Länder, wo anhand einer Karte vom Stadtteil bestimmten die Teilnehmer:innen Potentiale und Herausforderungen im Grätzl. Die so verorteten Plätze dienten als Grundlage für eine Route durch die Roßau, bei der diese Orte besucht werden sollten.
Unter anderem benannten die Teilnehmer:innen beim Spaziergang folgende Besonderheiten und Herausforderungen in der Roßau: Am Donaukanal entlang der U-Bahnstation Roßauer Lände sorgen rasende Radfahrer:innen beim Queren und Spazieren entlang der Ufer Promenade für Unsicherheit, vor allem bei älteren Menschen. Gleichzeitig gelangen Radfahrer:innen nur über Rampen beim Schottenring und der Friedensbrücke zum Donaukanalufer.
In der Gegend um die Servitengasse gibt es viele Innenhöfe (teilweise begrünt, viele jedoch versiegelt), die ein Geheimtipp für ruhige und kühlere Aufenthaltsorte in den heißen Sommermonaten sind. In den Innenhöfen wurden auch viele Häuserwände entdeckt, die potentiell Platz für Fassadenbegrünungen bieten würden. In manchen Innenhöfen mit hohem Nutzungsdruck stellte dies eine Alternative für Begrünungsmaßnahmen dar, die weniger Bodenfläche in Anspruch nehmen würde.
Der Straßenraum in der Berggasse stach durch temporäre Begrünungsmaßnahmen der Bewohner:innen und ansäßigen Geschäfte hervor. Hier wurden in Eigeninitiative Gehsteigbereiche vor Geschäftslokalen durch Pflanzentröge temporär begrünt. Manche Tröge fassten sogar einige Meter hohe Bäume, wodurch der Straßenraum für Fußgeher:innen merklich gekühlt wurde. Diese Projekte können als Inspiration für weitere Begrünungsmaßnahmen in der Roßau Verwendung finden. Zusätzlich lobten die Teilnehmer:innen in der Berggasse die Verkehrsberuhigung durch die 30er Zone, die für weniger Straßenlärm im öffentlichen Raum sorgte.
Die Servitengasse selbst wurde als positives Beispiel für gelungene Verkehrsberuhigung in Verbindung mit nachhaltiger Begrünung im Straßenraum erkannt. Besonders auffallend war die hohe Qualität der beschatteten und ruhig gelegenen Sitzmöglichkeiten im öffentlichen Raum. Diese erhielten viel Zuspruch von Stadtnutzer:innen während des Spaziergangs. Ein weiteres Positivbeispiel stellen die Wildbeete im hinteren Abschnitt der Servitengasse nahe der Pramergasse dar, die von Teilnehmer:innen als kühlende Maßnahme bei heißen Sommertagen identifiziert wurde. Zwei Teilnehmer:innen nannten den wöchentlich am Donnerstag stattfindenden Wochenmarkt und das jüdische Denkmal in der Servitengasse als geheimen Ausflugstipp.
Ein weiterer Geheimtipp jüdischen Lebens in der Roßau war für Teilnehmer:innen der Jüdische Friedhof Seegasse im Innenhof des Altersheims Haus Rossau. Dieser ist über den Eingangsbereichs des Heimes barrierefrei zu erreichen. Nach der Erkundung des Friedhofs im kühleren Innenhof entdeckte die Gruppe im letzten Teil des Spaziergangs die Gegend entlang der Seegasse. Vor der Hausnummer 16A bestaunten die Teilnehmer:innen die neu errichtete Grätzloase mit vielen Sitzmöglichkeiten und liebevoll gestalteter Begrünung für den Straßenraum. Alle stimmten überein, dass Sitzmöglichkeiten im Straßenraum für ältere Fußgeher:innen mit eingeschränkter Mobilität wichtig sind, um Pausen einlegen zu können. Sie sind ein Teil der 15-Minuten-Stadt und ermöglichen u.a. Senior:innen bis ins hohe Alter ihre täglichen Besorgungen zu erledigen und ein selbstbestimmtes Leben führen zu können.
Ebenso positiv fiel den Teilnehmer:innen in dieser Gegend die dichte an Nahversorgern wie Apotheken auf, die ebenso eine Grundlage für eine Stadt der kurzen Wege darstellen. Der Spaziergang endete in der Hahngasse mit der Entdeckung eines verkehrsberuhigten Schulvorplatzes mit vielen Sitzbänken für Schüler:innen im öffentlichen Raum vor dem Schulgebäude. Trotz der freundlichen Platzgestaltung wurde der fehlende Witterungsschutz gegen Sonne, Hitze und Regen als wünschenswerte Ergänzung für das Straßenmobiliar genannt.
Der Grätzlspaziergang Roßau war Teil eines umfassenderen Programms der Fairnesswochen, das sich mit Fragen sozialer Gerechtigkeit und gleichberechtigter Stadtentwicklung befasst. Die Veranstaltung stieß auf reges Interesse und wurde von den Teilnehmenden als bereichernd und inspirierend erlebt.